Donnerstag, 28. März 2024
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Ein neuartiges Licht geht auf: chirales Laserlicht

Fortschungsteam von MBU, Techion und TUB

Einer jungen internationalen Forschergruppe des Max-Born-Instituts für Nichtlineare Optik und Kurzzeitspektroskopie (MBI), des Israel Institute of Technology (Technion) und der Technischen Universität Berlin, ist ein bemerkenswerter wissenschaftlicher Durchbruch gelungen: eine neue Methode wurde entwickelt, um rechts- und linkshändige chirale Moleküle zu unterscheiden.

In nur zwei Jahren Forschungsarbeit hat die Gruppe unter Leitung von Olga Smirnova und den wissenschaftlichen Mitarbeitern Andrés Ordoñez und David Ayuso synthetisches chirales Licht entwickelt, mit dem rechts- und linkshändige chirale Moleküle voneinander getrennt werden können.

Was ist Chiralität?
Chiralität ist ein Begriff in der Stereochemie, der die räumliche Anordnung von Atomen in einem Molekül beschreibt, bei denen bespielsweise eine Spiegelung an einer Molekülebene, nicht zu einer Selbstabbildung führt. Bekanntestes Beispiel ist die Milchsäure, die es linksdrehend als (S)-Milchsäure und rechtsdrehend als (R)-Milchsäure gibt. Moleküle, deren Bild und Spiegelbild sich nicht zur Deckung bringen lassen, sind also chiral. Die beiden somit unterscheidbaren spiegelbildlichen Formen eines solchen Moleküls werden als Enantiomere bezeichnet.

Chiralität hat entscheidende Bedeutung für das Funktionieren biologischer Systeme, die alle selbst chiral sind. Viele lebenswichtige Enzymreaktionen sind entweder auf das linksdrehende oder das rechtsdrehende Molekül spezialisiert, weil die Reaktionsgeschwindigkeit auch vom aktiven Zentrum eines Enzyms abhängt. Nach dem Schlüssel-Schloss-Prinzip funktioniert je nach Substrat mal das eine Spiegel-Isomer, mal das andere. Das Aussortieren der passenden Substanzen kann bei biologischen Reaktionen, bei der Arzneimittelentwicklung und in der Chemie die entscheidenden Fortschritte und Eigenschaften hervorzaubern.

„Während die eine Variante des Moleküls eine Krankheit heilt, kann der Spiegelzwilling – auch Enantiomer genannt – giftig oder sogar tödlich sein“, schreiben die drei Forschenden in ihrer Präsentation.

Lichtwellen mit intrinsischer Chiralität
Licht bietet den schnellsten Weg, um rechts- und linkshändige chirale Moleküle zu unterscheiden. Für viele Anwendungen in Chemie und Biologie ist dies unerlässlich. Doch normales Licht spricht nur schwach auf die molekulare Händigkeit an.

Das Forscherteam des MBI, Technion und der TU Berlin hat sich an die Synthese einer völlig neuen Art von chiralem Licht gewagt, das eine chirale Struktur zu jeder Zeit an jedem einzelnen Punkt im Raum zeichnet. „Die Händigkeit dieses neuen Lichts lässt sich so einstellen, dass das eine Enantiomer aktiv mit ihm wechselwirkt und helles Licht als Antwort aussendet, während das gespiegelte Enantiomer überhaupt nicht mit ihm reagiert“, erklärte Dr. David Ayuso, Forscher am MBI und Erstautor der Studie (siehe Bilddiagramm).

Chirales Licht
Bilddiagramm: Identifizierung der Chiralität von Molekülen mit beispielloser Präzision. Synthetisches chirales Licht wechselwirkt selektiv mit einer der beiden Versionen eines chiralen Moleküls (links oder rechts). Die gewählte Version reagiert mit sehr hellem Licht, während ihr „Spiegelzwilling“ dunkel bleibt. | Bildcredit: Steven Roberts

Zwei konvergierende Laserstrahlen mit unterschiedlicher Frequenz und Phasenverschiebung
Die Wissenschaftler in ihrer Zusammenarbeit das neue chirale Licht mathematisch beschrieben und ihr Modell im Labor getestet. Dazu haben sie simuliert, wie diese Lichtstrahlen mit chiralen Molekülen wechselwirken. So gelang es ihnen zu zeigen, wie man solches Licht im Labor erzeugt, indem man zwei konvergierende Laserstrahlen unterschiedlicher Frequenz miteinander verschmilzt. Die Wissenschaftler können so die Händigkeit dieses synthetischen chiralen Lichts kontrollieren, indem sie mit der Phasenverschiebung zwischen den verschiedenen Frequenzen „spielen“. Dadurch lässt sich auswählen, welche Art von Molekülen intensiv mit diesem Licht wechselwirken.

Vielfache neue Anwendungsmöglichkeiten
Die Forscher sehen eine Vielzahl möglicher Anwendungen für ihr neues Verfahren in Chemie und Biologie. Synthetisches chirales Licht könnte es etwa ermöglichen, chirale chemische Reaktionen in Echtzeit zu beobachten oder auch einen Wechsel bei der Händigkeit von Molekülen nachzuweisen. „Wir hoffen auch, diesen neuen Ansatz nutzen zu können, um Moleküle mit entgegengesetzter Händigkeit mit ultraschnellen Lasern räumlich voneinander zu trennen“, erklärte Prof. Dr. Olga Smirnova, Professorin an der TU Berlin und Leiterin einer Theoriegruppe am MBI.

Das internationale Forschungsprojekt ist im Forschungsverbund Berlin e.V. (FVB) organisiert, der mit seinen acht Instituten der Natur-, Ingenieur-, Lebens- und Umweltwissenschaften die größte außeruniversitäre Forschungseinrichtung Berlins ist. Das Projekt ist zugleich ein herausragenden Beispiel für internationale Wissenschaftskooperation.

Weitere Informationen:

Und es ward… ein neuartiges Licht … – Pressemitteilung | MBI | 28-10-2019

Forschungsverbund Berlin e.V.


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